Neue Studie zeigt: Das Rezept zum Glücklichsein besteht aus sechs Erfolgsfaktoren. Oder: Wie man mit statistischen Methoden alles beweisen kann, was man will.
Von Anja Leitner, Christina Harrich und Maximilian Schenner
„Als großer Mensch ist man auf jeden Fall fröhlicher. Ich erreiche sämtliche Regale, kann in jedem Swimmingpool stehen und einmal konnte ich sogar eine Katze von einem Baum heben.” Matthias Graf ist 2,07 Meter groß und liegt damit ganze 29 Zentimeter über dem österreichischen Durchschnitt. Der Gastronom weiß: „Die Liste der Vorteile meiner Körpergröße nimmt gar kein Ende. Ich erwische Insekten an der Zimmerdecke und war lange Zeit unbesiegbarer Basketballspieler.” Seine maroden Gelenke und die andauernden Rückenschmerzen seien nur ein kleiner Preis für sein Riesen-Glück.
Matthias ist mit seiner Heiterkeit aber nicht alleine. Eine neue Studie eines österreichischen Forscherteams beweist: Große Menschen sind tatsächlich glücklicher.
Sollten Sie nicht groß sein, haben Sie allerdings immer noch eine Chance auf das „happy-ever-after”. Das weltweit gültige Glücksrezept besteht nämlich aus sechs simplen Faktoren.
Wenn Sie jetzt misstrauisch geworden sind, dann zu Recht. Das „Forscherteam” bestand aus uns, drei Journalismus-StudentInnen, und die „Studie” wurde an ein paar vorlesungsfreien Nachmittagen zusammengestellt. Dennoch sind unsere Berechnungen richtig, unsere Zahlen von seriösen Statistik-Datenbanken und auch die Korrelationen zwischen „World Happiness Report” und den Glücks-Gründen haben wir bewiesen.
Korrelation vs. Kausalität
Was allerdings falsch ist, ist die Schlussfolgerung: Es handelt sich hierbei um sogenannte „Scheinkorrelationen”. Zwei unterschiedliche Faktoren ergeben zwar statistisch eine Korrelation, aber keine Kausalität. Konkret bedeutet das: Menschen in kälteren Klimaregionen sind zwar in der Regel glücklicher – aber nicht, weil das Wetter dort kühler ist, sondern weil Entwicklungsgrad und Wohlstand in nördlichen Ländern wesentlich besser sind, als in südlichen. Dasselbe gilt auch für unsere anderen Beispiele. Die Einwohner sind nicht glücklicher, weil sie 98 Jahre alt sind, sondern weil es die Gesundheitsversorgung in ihrem Land zulässt, überhaupt erst so alt zu werden. Auch macht eine hohe Anzahl an Kalorien nicht glücklich, sondern der Zugang dazu.
Wichtig ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass auch der World Happiness Report keine subjektive Umfrage über das durchschnittliche Glücksgefühl der Befragten ist. Stattdessen stützt sich der Herausgeber “Sustainable Development Solutions Network” hier auf eine Vielzahl an Faktoren: BIP pro Kopf, Sozialstrukturen, Lebenserwartung, Meinungsfreiheit, und viele mehr. Für diese ganzen Kategorien werden also Punkte vergeben und je mehr Punkte im Endergebnis, desto „glücklicher” ist die Bevölkerung. Der Vergleich zwischen Glück und anderen Werten ist also insofern schon schwierig, weil der World Happiness Report im Grunde nur eine Kombination an Bewertungskriterien ist.
Statistik-Fehler an der Tagesordnung
Auch, wenn es in diesem Fall im Sinne der Geschichte beabsichtigt war – in der Praxis passieren Statistik-Fehler immer wieder. Zu oft, findet Klemens Himpele, Leiter der Magistratsabteilung für Wirtschaft, Arbeit und Statistik (MA23) in Wien. Wissenschaft funktioniere hypothesengetrieben, so der 43-Jährige. Zunächst brauche es eine Annahme, die es in weiterer Folge mithilfe von Korrelationen zu beweisen gilt. Aber: „Von der Größe auf das Glück zu schließen, ist natürlich Unfug.”

Um Scheinkorrelationen als solche zu „enttarnen”, reicht oftmals der Hausverstand, weiß Himpele: „Wenn etwas unlogisch erscheint, sollte man noch einmal hinschauen.” Bei komplexeren Zusammenhängen empfiehlt er außerdem, Experten zu Rate zu ziehen, etwa die Statistik Austria oder die MA23 selbst. „Jeder Journalist, der mir auf den Nerv geht, ist mir recht – denn der hat es danach verstanden.“
Den heimischen Medien stellt Himpele insgesamt ein gutes Zeugnis für ihr Statistikverständnis aus. Das zunehmende Interesse an datengetriebener Berichterstattung betrachtet er auch positiv. Nachholbedarf sieht Himpele, abgesehen von Flüchtigkeitsfehlern, vor allem dort, wo es um Größenordnungen geht – klassische Problemfälle seien absolute und relative Größen. Nicht nur einmal ging Himpele daher mit Tageszeitungen in den Clinch.
Im Jahr 2018 etwa übte er harte Kritik an den Salzburger Nachrichten. Grundlage war ein Artikel über Direktinvestitionen in den österreichischen Landeshauptstädten mit dem Titel „Salzburg überholt Wien bei Investitionen aus dem Ausland”. Hier lag bereits der erste Fehler vor – die Zahl der Investitionen war in Salzburg lediglich stärker gestiegen als in Wien, in absoluten Zahlen liegt die Bundeshauptstadt jedoch weiterhin vorne. „Nur weil der Zwerg schneller wächst als der Riese, ist er noch lange nicht größer”, so Himpele. Auch am Rest des Artikels ließ er kein gutes Haar, wie auf seiner Facebook-Seite nachzulesen ist: „Kurz zusammengefasst: Es stimmt fast keine der abgedruckten Zahlen.” Mit Rotstift und Hausverstand sorgte Himpele letztendlich für Klarstellung – der Artikel wurde mittlerweile korrigiert.

Keine Angst vor großen Zahlen
Die Gründe für ein mangelndes Verständnis führt Himpele mitunter auf das Schulwesen zurück. „Wer in der Schule immer Angst vor Zahlen vermittelt bekommt, wird diese natürlich auch als Journalist nicht mehr los.” Um dem vorzubeugen, gibt er Statistik-Vorträge für Acht- bis Zwölfjährige – „mit sehr einfach aufbereiteten alltagstauglichen Statistiken.” Anstelle von BIP und Co. behandelt er dabei etwa die Anzahl der Parks und Spielplätze in Wien. Sein Ziel ist es, den Journalistinnen und Journalisten von morgen „mit einem Augenzwinkern” die Angst vor den großen Zahlen zu nehmen.
Auch, wenn das tatsächliche Glücksrezept wohl weiterhin unergründet bleibt, stehen zumindest die Bestandteile für das Statistik-Glück fest: Hausverstand, Nachfragen und bloß keine falsche Scheu. Große Zahlen wirken nämlich viel weniger abschreckend, wenn man weiß, wie man damit umgehen soll.