Interview mit Sebastjan Žagar: “Hinter uns steht ganz Asien”

Sebastjan Žagar ist Manager der wichtigsten Zweigstelle in Mitteleuropa der chinesischen Reederei China Cosco Shipping. Das Unternehmen ist umstritten, es gilt als mächtiger Arm der kommunistischen Partei am Welthandelsmarkt. Der Öffentlichkeit bekannt wurde Cosco für die stark kritisierte Übernahme des griechischen Hafens Piräus. Žagar betont die Vorteile der neuen Seidenstraße für den Nordadriaraum und die Europäische Union.

Die Büros von Cosco grenzen direkt an das Lastwagen-Terminal des Hafens Luka Koper. Container, so weit das Auge reicht, einige davon mit chinesischen Schriftzeichen auf der bunt bemalten Außenwand. Pro Tag werden hier 800 Lastwagen beladen. Auch wer das Büro von Cosco betritt, erblickt als erstes einen Container, der als Empfangstisch dient. Hier begrüßt uns Sebastjan Žagar, Manager der Filiale von Cosco in Koper, mit einem stechenden Blick und festem Händedruck. Erst zwei Stunden vor dem Interview kam seine Zusage, er sei oft im Ausland unterwegs und sehr beschäftigt. Wer in den Büros von Cosco ein Stück China in Slowenien erwartet, wird enttäuscht: Praktisch alle Mitarbeiter sind slowenischer Herkunft. Žagar bittet uns in sein Büro mit Blick auf das Container-Terminal.

Q: Cosco verlädt in Koper rund 100 000 Container jährlich. Ihre Reederei ist damit für ein Zehnetel des Containerumschlags in Koper verantwortlich. Hat sich diese Zahl in den letzten Jahren vergrößert?

A: Natürlich, ja. Seit wir hier angefangen haben, ist unser Unternehmen enorm gewachsen. Mit jedem Jahr haben wir immer mehr verladen.

Q: Wie kann das sein?

A: Das liegt zum einen an unserer Fusion mit der Reederei China Shipping, das ist zwei Jahre her. [Im Jahr 2019 ist China Cosco Shipping mit 12,7 Prozent Marktanteil die drittgrößte Reederei der Welt] Seitdem Piräus zum Umschlagspunkt für Cosco geworden ist, kommt hier viel mehr Ware an. Und diese Route ist noch nicht ausgeschöpft: In die intermodalen Verbindungen von Piräus in die wichtigsten Häfen Europas wird viel investiert. Koper wird für Cosco immer der wichtigste Hafen für die Ankunft von Gütern bleiben.

Q: Am Vortag wurde durch einen Unfall die einzige Eisenbahnanbindung des Hafens blockiert. Wie beeinflusst das Ihr Unternehmen?

A: Wie es vom gestrigen Unfall beeinflusst wird, können wir derzeit noch nicht abschätzen. Aber für uns bedeutet das Stillstand bei Import und Export gleichermaßen, da wir die Güter nicht weitertransportieren oder verschiffen können. Daraufhin steigen normalerweise die Kosten: Das geht auf die Rechnung der Händler. Oft wollen sie das nicht riskieren, solche Zwischenfälle sind also ein schlechtes Signal für Investoren.

Q: Gelingt es der Hafenleitung, mit dem Boom (Daten) Schritt zu halten?

A: Sie expandieren auf jeden Fall, ich finde, sie machen das ziemlich gut. Es gibt täglich Treffen zwischen den Reedereien und der Hafenleitung. Sie sind also ziemlich offen, aber die Infrastruktur ist im Rückstand. Nicht nur die Eisenbahnstrecke, auch bei den Kränen, beim Verladesystem der Ware, sollte mehr investiert werden.

Q: Was ist die typische Route für ein Cosco-Schiff, das in Koper einläuft?

A: Da gibt es drei Optionen: Unsere Hauptroute geht von Fernost direkt nach Koper. Hier teilen wir innerhalb der Ocean Alliance die Handelsschiffe mit unseren Handelspartnern. Auf der zweiten Route verbinden wir Koper mit Piräus und den türkischen Frachthäfen, das ist die wichtigste Handelsroute zwischen Mitteleuropa und der Türkei. Außerdem betreiben wir Handel von Koper über Limasol [Zypern] nach Alexandria [Ägypten].

Q: Haben Sie bei der Kernroute von der Erweiterung des Suez-Kanals profitiert?

A: Nicht wirklich, mit unseren derzeitigen Frachtschiffen reizen wir die neuen Kapazitäten nicht aus. Unsere Schiffe fassen ungefähr 6.000 bis 6.500 Container, die haben auch vorher leicht durch den Kanal gepasst.

Q: Was steckt eigentlich in den Containern? Gibt es etwas, das besonders häufig aus China importiert wird?

A: Wir importieren hauptsächlich Handelsware: Also Möbel, Gartengeräte… Aber es gibt nicht eine Sache, die besonders hervorsticht. Wir importieren zwar auch Baumaterial, Holz und Papier, aber es sind jedenfalls mehrheitlich schon fertig zusammengebaute Güter.

(c) Christian Albrecht

Q: Gibt es Pläne, die Kapazitäten mit größeren Schiffen auszureizen?

A: Die Idee war schon auf dem Tisch, es könnte in Zukunft passieren. Jedes Fuhrunternehmen treibt die Vergrößerung der Schiffe an, viele von unseren Konkurrenten haben da schon investiert. Größere Schiffe sind immer eine Chance, den Handel effizienter zu gestalten. Aber so eine Entscheidung muss von allen Handelspartnern innerhalb der Ocean Alliance gemeinsam getroffen werden, da wir uns ja die Schiffe teilen. Aber da gibt es sicherlich ein großes Potential für Cosco. Wir haben schließlich einen großen Hinterlandmarkt, das sollten wir in Betracht ziehen.

Q: Welcher Hafen ist wichtiger für Cosco? Trieste oder Koper?

A: Im Moment auf jeden Fall Koper. Aber wir glauben, dass Triest noch sehr wichtig werden wird. Auch Rijeka hat großes Potential: Cosco läuft dort zwar schon ein, aber aufgrund der chinesischen Investments in den letzten Jahren wird dort sicher mehr passieren.

Q: Slowenien hat mit China eine Absichtserklärung zur Unterstützung der Seidenstraße unterzeichnet. Was erwarten Sie, wird mit dem Hafen in Koper dann passieren?

A: Das ist schwer zu sagen: Zuerst müssen wir die zweite Eisenbahnstrecke bauen – es ist noch ein weiter Weg. Ganz ehrlich gesagt weiß ich es nicht, aber ich hoffe sehr, dass sie etwas machen werden.

Q: Was sind Ihre Hoffnungen, falls die maritime Seidenstraße tatsächlich realisiert wird?

A: Wir werden diese Pläne natürlich vorantreiben, das ist unser Ziel. Wir wollen den Menschen Arbeitsplätze bieten. Wir wollen Fachleute anziehen, die für das Unternehmen arbeiten wollen, die engagiert und motiviert sind.

Q: Warum misstrauen so viele Menschen dem Seidenstraßenprojekt?

A: Ich denke, viele nehmen das falsch wahr, sie verstehen das Konzept dahinter nicht. Es sind nicht Chinesen, die in chinesischen Firmen arbeiten, das sind Arbeitsplätze für Slowenen! In Koper zum Beispiel arbeiten bei Cosco fast nur Slowenen, auch wenn es ein chinesisches Unternehmen ist. Natürlich wird es im Management immer ein paar Chinesen geben, aber es gibt bei uns immer auch Menschen aus dem jeweiligen Land in Führungspositionen. Das Investment von Hisense in Gorenje [der chinesische Haushaltsgerätehersteller hat im August 2018 95% der slowenischen Traditionsmarke gekauft; Anm.] ist da ein gutes Beispiel: Ok, manche verlieren ihren Job wegen Umstrukturierungen, aber manche Bewerber mit neuen Ideen werden einen neuen Job bekommen. Man muss die richtige Balance finden.

Q: Gilt das auch für den Hafen Piräus?

A: Auf jeden Fall. Ehrlich gesagt kann ich mir Piräus heute ohne die Chinesen nicht mehr vorstellen. Davor war das ein komplettes Desaster. Jetzt ist es ein sehr wichtiger Handelsknotenpunkt.

Q: Laut einer Statistik der Weltbank könnte China schon in zwei Jahren Sloweniens wichtigster Handelspartner sein. Was wird das für Auswirkungen auf Slowenien haben?

A: Kurzfristig sehr positive. Die Frage ist, ob China eine dominante Stellung erreicht. Vielleicht sollten wir uns nicht nur auf einen Handelspartner konzentrieren. Das könnte zur Herausforderung werden: China wird weiterwachsen, auch die Importe werden wohl stark zunehmen.

Q: Also sind Sie als Slowene besorgt, dass dies zu einer Monopolstellung führen könnte?

A: Nein. Noch nicht.

Q: Aber die Möglichkeit besteht?

A: Ich bin mir nicht sicher. Es könnte zu einem Handelskrieg zwischen China und den USA kommen. Ich glaube, die Chinesen haben schon einen Plan, wie sie darauf reagieren werden… Das kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf uns haben. Aber es geht nicht nur um China, hinter uns steht ganz Asien: Wir ermöglichen schließlich nicht nur den Handel mit China, sondern auch mit Hong Kong, Malaysia, den Emiraten, sogar Australien.

Q: Könnte ein solcher Handelskrieg eine Chance für europäische Länder wie Slowenien sein?

A: Natürlich! Das war immer schon so, bei schlimmen Geschichten gibt es immer einen Profiteur. Als bei uns in Jugoslawien Krieg war, sind viele Leute sehr reich geworden. Sie haben die Möglichkeiten genutzt, ob das moralisch vertretbar war oder nicht. Wenn die USA nicht mehr nach China exportieren, dann können das vielleicht wir tun.

Q: Eine letzte Frage: Ist es ein Zufall, dass sich genau unter ihrer slowenischen Firmenzentrale ein chinesisches Restaurant befindet?

A: (lacht) Ja, das ist ein Zufall, die haben nichts mit uns zu tun. Ich war selbst noch nie dort unten essen.

Anmerkung: Das Interview wurde vor der Veröffentlichung vom Gesprächspartner autorisiert, aber nicht sinnentstellend verändert oder gekürzt.

 

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